Psychotherapie Dresden Regina John

 

letztes Update: 09/2019
zur Startseite

Hier finden Sie Hintergrundwissen zu einigen ausgewählten psychischen Erkrankungen.

Essstörungen

Was sind Essstörungen?

An Essstörungen ist immer dann zu denken, wenn Sie nicht mehr normal essen können, das Gefühl für Hunger und Sättigung verloren geht oder Essen stets von Kalorienzählen, Bedenken gegen bestimmte Nahrungsmittel oder einem schlechtem Gewissen begleitet ist. Dabei werden verschiedene Arten von Essstörungen unterschieden: Die Magersucht (Anorexia nervosa), die Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa) und die Esssucht (Binge Eating Störung) sind die typischsten und sollen daher näher beschrieben werden.

  • Magersucht
  • Ess-Brechsucht
  • Esssucht
Was sind Ursachen für Essstörungen?

Essen ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Es ist nicht nur lebensnotwendig, sondern häufig auch Anlass, sich zu treffen, zu reden und Zeit miteinander zu verbringen. Ein gutes Essen in einem teuren Restaurant kann aber auch als Belohnung oder als Zeichen für einen hohen sozialen Status dienen. Nahrungsmittel und damit Essen ist vor allem in den westlichen Industrieländern in der heutigen Zeit in fast unbegrenzter Menge, Art und Zusammensetzung ständig verfügbar. Dem gegenüber steht das heutige Schönheitsideal: Galt es früher als Zeichen des Wohlstands, üppig auszusehen, werden heute Frauen als schön bewertet, die extrem schlank und sportlich wirken.

essstoerung1.gif 574x294
   Schönheitsideale früher (Rubens: Venus) und heute

Mode, Werbung, Film und Fernsehen gaukeln uns vor: Nur wenn du schlank und attraktiv bist, bist du erfolgreich und glücklich; wirst begehrt und gemocht. Da diese Ideale insbesondere für Frauen gelten, treten Essstörungen auch meist bei Frauen auf. Aber es sind auch zunehmend Männer davon betroffen.

Einstieg in die Essstörung bilden meistens Diäten bzw. ein gezügeltes Essverhalten. Es konnte gezeigt werden, dass Personen, die über längere Zeit nur ausgewählte Lebensmittel zu sich nahmen oder allgemein wenig aßen, besonders anfällig für Heißhungerattacken waren, die dann zu Essanfällen führten.

Solche Essanfälle können wiederum einen wahren Teufelskreis auslösen:

Abbildung Essstörung
Wichtige Auslöser für Essstörungen sind also:
  • Ständiges Diäthalten,
  • ein allgemein eingeschränktes Essverhalten (nur bestimmte Lebensmittel, nur eingeschränkte Menge an Lebensmitteln),
  • ständiges Ab- und Zunehmen (der Jojo-Effekt bei Diäten),
  • rapide körperliche Veränderungen (z.B. in Pubertät)
Zusätzlich risikoerhöhend wirkt, wenn:
  • Der Figur hoher Wert beigemessen wird,
  • Essen häufig als Ablenkung, Belohnung, oder Aufmunterung eingesetzt wird,
  • In der Familie oder unter Freunden Essen und Schlanksein ein großes Thema ist, Diäten gehalten werden etc.,
  • Es eine Anlage zu einem höheren Gewicht gibt, bzw. die Stoffwechselrate eher gering ist.
Weitere Bedingungen, die die Entwicklung einer Essstörung begünstigen können:
  • Ein hoher bzw. perfektionistischer Leistungsanspruch an die eigene Person,
  • Tätigkeit, Ausbildung oder Freizeitbetätigung in einem Bereich, wo der Körper eine hervorgehobene Rolle spielt (Tänzer, Leistungssportler, Fitness, Modells),
  • Bestehende zwischenmenschliche Konflikte, insbesondere mit den Eltern oder in der Familie,
  • Innere Konflikte oder nicht verarbeitete Erlebnisse/Ereignisse (u.a. Trauma),
  • Depressive Verstimmung bzw. die Verarbeitung von Trauer oder Verlust,
  • Schwierigkeiten, die eigene Person in ihrer Gesamtheit zu akzeptieren (z.B. Probleme mit dem Erwachsen werden),
  • Selbstunsicherheit oder eingeschränkte soziale Fertigkeiten im Umgang mit anderen Menschen,
  • Niedriges/labiles Selbstwertgefühl.

Essstörungen beginnen typischerweise in der Adoleszenz bzw. im frühen Erwachsenenalter, der überwiegende Anteil der Störungen wird vor dem 25. Lebensjahr diagnostiziert. Die Häufigkeit der Anorexie bei Frauen in der Altersgruppe von 14-20 Jahren wird mit ca. 0,2 bis 0,8 % angegeben. Dagegen wird die Häufigkeit der Bulimie bei Frauen in der Altersgruppe von 20 - 24 Jahren auf ca. 2- 4 % geschätzt. Erkenntnisse über die Auftretenshäufigkeit der Esssucht sind bisher noch sehr rar. Jedoch ist bekannt, dass ca. 20-50% der Patienten mit behandlungsbedürftigem Übergewicht an einer Esssucht leiden. Der langfristige Verlauf der Anorexie ist eher ungünstig im Vergleich zur Bulimie: 33-55 % leiden gar nicht mehr an einer Essstörung (im Vgl. Bulimie: 50-74 %), 10-50% leiden weiterhin an einer Essstörung (im Vgl. Bulimie: 20-60%), 1,4-16 % versterben (im Vgl. Bulimie: 1%). Zur Esssucht liegen derzeit noch keine Verlaufsuntersuchungen vor.


 

Magersucht (Anorexia nervosa, Anorexie)

Magersucht ist vor allem durch ein deutliches Untergewicht der Betroffenen gekennzeichnet. Dabei muss der Body Mass Index (BMI), also das Verhältnis zwischen Körpergröße und Gewicht zum Quadrat, weniger als 18 betragen. Der Gewichtsverlust und das Halten des geringen Gewichts werden durch Fasten, Einnahme von Abführmitteln, Diätmitteln oder Entwässerungsmitteln oder durch exzessiven Sport erreicht. Manche Betroffene erbrechen auch nach dem Essen, um überzählige Kalorien wieder los zu werden. In solchen Fällen spricht man von einer Anorexie vom bulimischen Typus.

Weitere Symptome bei Magersucht sind:
  • Wiederkehrende Gedanken an die Figur und das Gewicht,
  • Überzeugung, zu dick zu sein, obwohl objektiv Untergewicht besteht und damit verbunden,
  • Wunsch weiter Gewicht zu verlieren,
  • Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von Figur und Gewicht.
Diese Symptome können zu einer Reihe körperlicher Folgeerscheinungen führen. Dazu gehören:
  • Das Ausbleiben der Regelblutung,
  • ständiges Frieren, Kälteempfindlichkeit,
  • Veränderungen im Stoffwechsel,
  • niedriger Blutdruck, Durchblutungsstörungen,
  • Kreislaufprobleme,
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme,
  • Schwindel und Verwirrung durch Dehydration bzw. niedrigem Blutzuckerspiegel,
  • Osteoporose,
  • Verdauungsprobleme.
Diese Symptome können durchaus lebensbedrohlich sein! In schweren Fällen kann sogar eine Zwangsernährung notwendig werden.

Neben diesen körperlichen Folgen ist die Anorexie häufig auch mit einem Rückzug aus dem sozialen Leben verbunden, da sich der Lebensmittelpunkt für die Betroffenen häufig auf die Beschäftigung mit Essen bzw. Fasten verschiebt. Zusätzlich reduziert sich im Verlauf der Krankheit die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, so dass die Betroffenen nicht mehr an allen Aktivitäten teilhaben können. Damit verbunden können auch Depressionen auftreten.


 

Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa, Bulimie)

Das Wort Bulimie stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie "Ochsenhunger". Die Betroffenen leiden unter wiederkehrenden (Fr)Essanfällen, bei denen sie innerhalb kurzer Zeit ungewöhnlich große Mengen an Nahrungsmitteln zu sich nehmen. Um eine Vorstellung darüber zu geben, wie groß diese Nahrungsmengen sind, hier die Schilderung einer Betroffenen:

"Ich fange mit kleinen Schokoladenkuchen an. Ich fange immer mit Süßigkeiten an. Ich weiß, dass eine halbe Tüte Kekse im Bad ist, am Abend zuvor weggeworfen, und ich verputze sie sofort. Ich trinke etwas Milch, damit ich leichter erbrechen kann. Ich hole mir sechs Stücke Brot, bräune die eine Seite im Grill und belege sie mit Butterflocken. Ich esse alle sechs Stück vor dem Fernseher und hole mir eine Schüssel Cornflakes und eine Banane, um sie dazu zu essen. Bevor der letzte Stapel Toast gegessen ist, bereite ich bereits den nächsten Sechserstapel vor. Dann noch einen weiteren Schokoladenkuchen und ein paar große Schüsseln Eiscreme, Jogurt oder Hüttenkäse..."
(aus: Comer, 1995: Klinische Psychologie)

Während des Essanfalls verlieren die Betroffenen die Kontrolle über ihr Essverhalten, sie können nicht wieder aufhören zu essen. Nach dem Essanfall folgt dann ein Gefühl der Scham, des Ekels oder das schlechte Gewissen, sich nicht unter Kontrolle gehabt zu haben. Um einer Gewichtszunahme vorzubeugen, werden Maßnahmen ergriffen, die Kalorien "wieder los zu werden". Die bekannteste Maßnahme ist dabei selbst herbei geführtes Erbrechen (daher Ess-Brechsucht), aber nicht alle Bulimiker übergeben sich im Anschluss an einen Essanfall. Einzelne Betroffene fasten auch tagelang oder betätigen sich körperlich, um die Kalorien wieder zu verbrennen. Die Essanfälle erfolgen meist aus einem Gefühl der Anspannung oder Langeweile und laufen häufig ritualisiert ab.

Neben den Essanfällen und den gegenregulierenden Maßnahmen zur Vorbeugung einer Gewichtszunahme ist die Bulimie gekennzeichnet durch:

  • Überhöhte Bedeutung des eigenen Gewichts und der eigenen Figur,
  • Phasen eingeschränkten Essens oder Diäthaltens (und unregelmäßige Mahlzeiten),
  • Verbot bestimmter Nahrungsmittel (z.B. Schokolade).

Das Gewicht der Betroffenen kann individuell sehr verschieden sein; die meisten Bulimiker sind jedoch normalgewichtig. Wenn trotz der Essanfälle deutliches Untergewicht besteht, wird jedoch die Diagnose Anorexie (bulimischer Typ) gestellt.

Zu den körperlichen Folgeerscheinungen bei Bulimie zählen:
  • Karies, Zerstörung des Zahnschmelzes und Paradontose durch ständiges Erbrechen,
  • Entzündungen bzw. Verletzungen der Speiseröhre,
  • Schwäche durch Störungen des Elektrolythaushalts,
  • Kaliumverlust kann zu Herzschwäche bis zu Herzstillstand führen,
  • niedriger Blutdruck,
  • Magengeschwüre und Magenblutungen,
  • Nierenschäden.

Damit ist Bulimie eine lebensbedrohliche Erkrankung!


 

Esssucht (Binge Eating Störung)

Die Esssucht hat viele Gemeinsamkeiten mit der Bulimie. Die Betroffenen berichten über anfallartiges Essen bzw. ständiges, fast ununterbrochenes in sich Hineinessen ohne bestehendes Hungergefühl. Während eines Essanfalls wird schnell, häufig allein und eine große Nahrungsmenge bis zu einem unangenehmen Völlegefühl gegessen. In Folge eines Essanfalls treten bei den betroffenen häufig Gefühle von Ekel, Traurigkeit oder Scham auf.

Auslöser für das Essen stellen häufig negativ (Langeweile, Trauer, Ärger etc.) wie positiv (Freude, Stolz etc.) getönte Gefühle dar. Im Unterschied zur Bulimie oder Anorexie setzen die Betroffenen keine regelmäßigen Gegenmaßnahmen im Anschluss an die Nahrungszufuhr ein. Ein Drittel der Betroffenen mit Esssucht sind Männer, ein wesentlicher höherer Anteil als bei anderen Essstörungen.

Wie bei anderen Essstörungen führt die Esssucht neben psychischen Beschwerden zu körperlichen Problemen.

Zu den körperlichen Folgeerscheinungen bei der Esssucht zählen:
  • Übergewicht und sich daraus ergebende körperliche Probleme für Herz-Kreislauf- und Skelettsystem
  • Fettstoffwechselstörungen und Diabetes.

Die Esssucht wird derzeit unter "Essstörungen - nicht näher bezeichnet" diagnostiziert, da es sich um eine Forschungsdiagnose handelt, der noch keine eigenständige Kategorie zugeordnet wurde. D.h. das zu dieser Diagnose weitere wissenschaftliche Studien notwendig sind, um Erkenntnisse über diese Erkrankung zu sammeln.

Autor: S.Helbig zum Seitenanfang