Psychotherapie Dresden Regina John

 

letztes Update: 09/2019
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Hier finden Sie Hintergrundwissen zu einigen ausgewählten psychischen Erkrankungen.

Zwangsstörungen

Was sind Zwänge?

Fast alle Menschen haben bestimmte Angewohnheiten, die sie immer wiederholen ohne dass es einen bestimmten Grund dafür gibt. Manche Leute pflegen auch persönliche Rituale, z.B. der Sportler, der vor jedem Wettkampf ein Gebet spricht oder der Student, der zu jeder Prüfung die gleichen Socken trägt. Das alles könnte man zwar als zwanghaftes Verhalten bezeichnen; es handelt sich hier jedoch noch nicht um eine Erkrankung.

Von einer Zwangsstörung spricht man dann, wenn eine Person einen starken inneren Zwang erlebt, bestimmte Dinge denken oder tun zu müssen. Dabei ist den Betroffenen klar, dass diese Gedanken oder Handlungen keinen Sinn erfüllen und sie versuchen daher, sich gegen den Zwang zu wehren. Leider wird der Zwang jedoch häufig als übermächtig erlebt und führt so zu Beeinträchtigungen im Leben der Betroffenen. Die konkreten Zwangsinhalte können dabei sehr unterschiedlich aussehen.

Man unterscheidet zwei Formen der Zwangsstörung, die jedoch meist gemeinsam auftreten:
· Zwangsgedanken und
· Zwangshandlungen.
 
Zwangsgedanken:
Unter Zwangsgedanken versteht man sich aufdrängende Bilder, Vorstellungen oder Gedanken. Diese können sehr unterschiedlicher Natur sein und werden häufig versucht, durch Rituale zu neutralisieren. Beispielsweise könnte ein Zwangsgedanke sich mit Ansteckung oder Verschmutzung beschäftigen und einen Waschzwang auslösen.
In einzelnen Fällen treten Zwangsgedanken auch ohne dazugehörige Handlungen auf. Solche Gedanken haben häufig religiös-blasphemische, sexuelle oder aggressive Inhalte (z.B. "Ich könnte meine Mutter erschlagen"). Die Betroffenen erleben diese Gedanken als extrem quälend, da sie befürchten, sie könnten die Gedanken in die Tat umsetzen. Dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Es ist noch kein Fall bekannt geworden, in dem Zwangsgedanken tatsächlich auch in die Realität umgesetzt wurden sind.
 
Zwangshandlungen oder Rituale:
Häufig führen Zwangsgedanken zu ritualisierenden Verhaltensweisen, die dazu dienen, die Gedanken zu neutralisieren. Dann steht die Zwangshandlung meist im Vordergrund der Symptomatik. In einzelnen Fällen ist den Betroffenen gar nicht mehr bewusst, was der hinter der Zwangshandlung stehende Gedanke war. Die typischsten Zwangshandlungen sind im Folgenden dargestellt.

Kontrollzwänge
  • ständiges Nachkontrollieren von Türen, elektrischen Geräten, Aufgabenerledigung etc.
  • Betroffene leiden unter der Befürchtung, etwas Schlimmes könnte passieren
Waschzwänge
  • Häufiges Händewaschen bis Duschen oder Baden, teilweise verbunden mit Hautschädigungen
  • Dahinter steckt die Angst vor Ansteckung oder Verschmutzung
Ordnungszwänge
  • Penibles Achten auf Ordnung, z.B. Ausrichtung von Gegenständen auf dem Schreibtisch oder der Wäsche im Schrank
Wiederholungs- oder Zählzwänge
  • Bestimmte Handlungen müssen eine festgelegte Anzahl mal wiederholt werden
  • Einzelne Dinge, wie Pflastersteine, müssen ständig gezählt werden
  • Bei Nichtausführung des Zwangs befürchten die Betroffenen häufig, dass anderen etwas Schlimmes zustoßen könnte
Sammelzwänge
  • Betroffene heben alles auf, können nichts wegwerfen
  • Dabei häufig auch keine Unterscheidung zwischen Müll und tatsächlichen Wertgegenständen
  • Angst, etwas Wichtiges zu verlieren

Da solche Zwänge häufig weder eine erkennbare Ursache noch einen logischen Sinn haben, schämen sich die Betroffenen häufig für ihre "Willensschwäche". Aus diesem Grund und aufgrund der Einschränkungen, die der Zwang ihnen auferlegt, ziehen sie sich oftmals aus dem Alltagsleben zurück. Depressionen können die Folge sein. Zusätzlich erfordern die ritualisierten Verhaltensweisen im Krankheitsverlauf zunehmend mehr Zeit und Aufwand, so dass alltäglichen Aktivitäten, wie Beruf, Freizeit, Familie und Haushalt, nicht mehr oder nur durch zusätzliche Anstrengung nachgegangen werden kann.

Wodurch werden Zwangsstörungen verursacht?

Die meisten Menschen haben ab und an störende Gedanken oder den Drang, etwas zu kontrollieren. Wer kennt nicht das Lied, das einem stundenlang nicht aus dem Kopf geht oder das Bedürfnis, zu kontrollieren, ob die Kaffeemaschine aus ist? Trotzdem entwickeln nur sehr wenige Personen eine Zwangsstörung. Die Wahrscheinlichkeit im Leben an einer Zwangsstörung zu erkranken wird auf 2 bis 3% geschätzt. Betroffene leiden häufig zusätzlich unter Depressionen oder anderen Angststörungen.

Die Ursachen für Zwangsstörungen sind bislang noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass die Symptome zumindest teilweise mitbedingt werden durch ein Ungleichgewicht an Botenstoffen im Gehirn, den sogenannten Neurotransmittern. Darüber hinaus ist erwiesen, dass die Anlage zur Zwangsstörung vererbt werden kann, d.h. dass in Familien, in denen bereits Zwangsstörungen aufgetreten sind, Personen mit höherer Wahrscheinlichkeit betroffen werden als in Familien ohne Zwangsstörung in der Vorgeschichte.

Ein wichtiger Mechanismus bei der Entstehung von Zwängen ist jedoch psychologischer Natur. Wie bereits oben erwähnt, haben fast alle Menschen manchmal störende und irrationale Impulse oder Gedanken. Allerdings kümmern sich die meisten nicht weiter darum. Werden diese Gedanken jedoch als unnormal oder gefährlich bewertet, kommt es zu starken Ängsten und dem Versuch, die Gedanken loszuwerden. Hierfür werden verschiedene Strategien eingesetzt. Einige Betroffene versuchen, den Gedanken einfach zu unterdrücken. Dies führt jedoch nur dazu, dass der Gedanke noch häufiger und aufdringlicher erscheint. Versuchen Sie einmal, in der nächsten Minute nicht an einen rosa Elefanten zu denken - es wird Ihnen schwerlich gelingen!

Eine andere Möglichkeit, die Angst loszuwerden, sind Rituale, die zwar häufig keinerlei direkte Wirkung auf die gefürchtete Konsequenz haben, jedoch beruhigen und Sicherheit vermitteln. Daher sind Zwangsgedanken auch häufig mit Zwangshandlungen verbunden. Folgendes Schaubild soll dies verdeutlichen:

Zwangshandlungen sind also häufig der Versuch, mit quälenden Zwangsgedanken umzugehen. Leider helfen solche Rituale oft nur kurzfristig; langfristig führen sie dazu, dass die Zwangsgedanken immer wiederkehren oder sich sogar verschlimmern. Unter Umständen werden sogar "Rituale gegen die Rituale" entwickelt, so dass sich mit der Zeit ein immer komplexeres System an Zwangshandlungen herausbildet, welches das Leben der Betroffenen immer weiter einschränkt.

Autor: S.Helbig zum Seitenanfang